Diskussion zum Fernkurs NT 2019-20

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47 Kommentare

  1. Hello dear Manfred,
    two questions arose through the reading of the letter to the Hebrews and the letter of James.
    In the former, after listing and describing the faith of many, the writer goes on with this fascinating phrase: “Therefore, since we are surrounded by so great a cloud of witness, let us…”. What is the meaning of it?
    When it comes to suffering caused by persecution, the apostle James reminds his readers of the discipline of God. I am hearing in his words that the Father is correcting His children by means of their suffering. I would like to hear more about it, especially in the light of the meanings that we find in the rest of Scripture. Our Lord Jesus teaches that “blessed are those who are persecuted”, the Apostle Peter speaks of “faith being tested, as perishable gold is by fire”, both he and the apostle James see persecution as a time that could foster growth in the disciples of the Lord.
    Thank you!
    Silvia

    1. The “cloud of witness” literally says “cloud of witnesses” („Zeugen“, Plural) and means the fathers and mothers in faith that are part of God’s history with his people. The term “witness” addresses a court situation: They have witnessed to God’s faithfulness and justice to a rebellious world, in the same way that Jesus did (Rev 1:2 and 5). And “cloud” probably refers to the glorious presence of God into which they are now taken.
      The topic of suffering & persecution in the NT is a huge one. Therefore here just a few brief remarks:
      Other than in the OT, for the disciples of Jesus the focus of suffering is mostly not on correction or punishment for the sufferer, but on being made into the image of Jesus, who is, so to speak, the “arch-“sufferer. Discipleship means following in his footsteps, not only in proclaiming the gospel through words, deeds and signs, but even more, by becoming a righteous suffer for his (and God’s) sake – like Jesus himself was. So persecution is a standard topic in all the gospels, Acts, most of the letters, and Revelation, too (there is no rapture …!).
      Suffering for Jesus sake can become a test of the disciple’s faithfulness, as it was with Jesus in the Garden Getsemane. But there are tests/trials that are too much for anyone to bear, so Jesus teaches us to pray “Do not lead us into temptation“ – temptation meaning here “trial“ by Satan. He said a similar word to his disciples in Getsemane – because the hour of darkness had come.

  2. Hallo Manfred,
    ich verstehe in Hebräer 1 die Argumentation nicht, wie der Schreiber “irendwelche” Psalmenworte, die auf Gott bezogen waren, auf Jesus übertragen kann (ausgenommen der messianischen Psalmen).
    Der Brief war an Judenchristen gerichtet, die Jesus als den endzeitlichen Messias anerkannt hatten, damit auch als Gott (?!). Die ausgewählten Psalmenzitate beziehen sich auf “Eigenschaften”, die nur Gott galten: Anbetung, Schöpfer der Welt, König auf dem Thron…
    Erinnerrt der Schreiber durch die “provokante” Übertragung dieser Worte auf Jesus die Judenchristen daran, was sie einst für wahr gehalten haben und woran sie festhalten bzw. wohin sie zurückkehren sollen?

    1. Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass es nicht der Briefschreiber selber ist, der die alttestamentlichen Stellen auf Jesus bezieht. Von einigen dieser Stellen wissen wir, dass sie allgemein bei Judenchristen auf Jesus angewendet wurden, und zwar schon sehr früh: Ps 2,7; 110,1 2Sam 7,14. Andere sind durch sog. Stichwortverbindungen verknüpft, eine im damaligen Judentum legitime Auslegeungsmethodik. Grundsätzlich dürfte diese Auslegung bereits auf Jesus selbst, sowohl den irdischen (z. B. Mt 22,41-46) wie auch den auferstandenen, zurückgehen. Lk 24 berichtet von letzterem gleich zweimal.
      Es gibt hier in Hebr zwei Arten von Stellen: die, die die Unterordnung von Engeln deutlich machen, und die, die eine Überordnung über sie zeigen. Bei den letzteren kommt nun das judenchristliche „Allgemeingut“ der Schöpfungsmittlerschaft des präexistenten Sohns ins Spiel (über die Weisheitstheologie), der damit in jedem Fall über den Engeln steht. Auch die Aussage von Ps 110 von „Sitzen zur Rechten Gottes“, die Gott im Psalm selbst trifft, ist einer der zentralen Ankerpunkte für diese Theologie.
      Die Adressaten waren ja Christen jüdischen Ursprungs, kannten also vermutlich den Großteil dieser Aussagen, und zwar auch in ihrer messianischen Auslegung. Der Autor erinnert sie hier noch einmal in kompakter und wuchtiger Weise daran, um ihnen vor Augen zu führen, wie weit ihr Interesse an und ihre Verehrung von Engeln dahinter zurückfällt. Durch die Schriften der Essenergemeinschaft von Qumran kennen wir eine Form des Judentums, die sich sehr mit Engeln und ihrem Dienst an und mit der Gemeinde beschäftigten. Aus diesem oder einem ähnlichen Umfeld dürften die Adressaten selbst stammen.

  3. In AB 8 steht auf S. 9 Punkt 4: “Die Kirche ist ein entscheidendes Werkzeug für die Erlösung das Alls.” Dazu habe ich mehrere Fragen:
    1. Was ist hier unter “Kirche” zu verstehen? Auch im Hinblick auf die erste der Hausaufgaben ist mir der Unterschied zwischen Kirche und Gemeinde nicht klar. Der Begriff Gemeinde kommt in meinen Übersetzungen im Epheserbrief nicht vor.
    2. Was immer darunter zu verstehen ist: viele Kirchen vertreten ja sehr problematische Inhalte. Diesen hier zitierten Satz zu Ende gedacht könnte bedeuten: So, wie es um die Kirche jetzt steht, rückt die Erlösung des Alls in weite Ferne. Was sehe ich da falsch?

    1. Zu 1) Der Begriff „Kirche“
      Wir haben im Deutschen das Problem unterschiedlicher Übersetzungen von griech „Ekklesia“.
      Ekklesia bedeutet nach dem AT (!) die „Versammlung des Volkes Gottes vor Gott“ (zB am Sinai, im Tempel etc als Wiedergabe von hebr. „qahal“. Es ist z.B. keine Bezeichnung für eine „Synagoge“ (griechisch. „Zusammenkunft“), die zwar Zusammenkünfte zur Schriftlesung und Gebet hatte (oft hießen die „Synagogen“ „Proseuchai“ = „Gebete/Gebetsstätten“), aber genau genommen eigentlich keinen „Gottesdienst“, weil der nur im Tempel stattfand.
      Nun hat die jüdische Christenheit aber genau den „gottesdienstlichen“ Begriff der ekklesia genommen, und zwar auch, wenn sie von Hausversammlungen sprach: „die hausweise Volksversammlung Gottes“. Der Sinn ist: Auch in einer kleinen Versammlung ist das „ganze“ Volk Gottes da.
      Der deutsche Begriff „Kirche“ kommt von griechisch „kyriake (ekklesia)“, d.h. die „zum Herrn gehörige“ Gemeinde/Gottesversammlung. In diesem ursprünglichen Sinn verwende ich es, um deutlich zu machen: Es geht um die „Gemeinschaft der Glaubenden“ auf der ganzen Welt (zu der genau genommen auch die gehören, die schon vollendet – gestorben und beim Herrn – sind – aber das ist im NT noch nicht im Blick). „Kirche“ ist also eine Bezeichnung, die auf die Gesamtheit, Berufung, Ehrenstellung und Geschlossenheit des Volkes Gottes/ des Leibes Christi abhebt (im ursprünglichen Sinn von ekklesia). – Mit den heutigen „Kirchen“ als Institutionen hat das zunächst gar nichts zu tun. Geschichtlich gesehen halten sich aber für das Volk Gottes …
      „Gemeinde“ hingegen verwende ich, um zu bezeichnen;
      a) die lokale Ausprägung der „Kirche“ vor Ort, d.h. im NT noch alle zusammen gehörenden Gläubigen einer Stadt, evtl. auch einer Region (wie Galatien); zB die „ekklesia der Thessalonicher“ oder „die ekklesia, die in Korinth ist“ 1Thess 1,1; 1Kor 1,2).
      b) eine konkrete Versammlung an einem Ort, z. B. in einem „Haus“, einer Synagoge, einer Freiversammlung („hausweise ekklesia“, Apg 2,46; 5,42; Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2)
      (2) „Kirche“ und „Erlösung“.
      Vielleicht sollte man in diesem Kontext besser die Bezeichnung „Leib Christi“ verwenden, die ja im Eph so prominent ist. Also „Der Leib des Christus ist ein entscheidendes Werkzeug für die Erlösung das Alls …“ Dann wird die organische Bezogenheit auf den Herrn des Alls deutlicher. Nochmal: Die heutigen Institutionen haben höchstens Anteil an dieser Realität, und das vielleicht sogar nur punktuell. Aber Christus kommt trotzdem zum Ziel: irgendwann wird seine Braut „ohne Flecken und Runzeln“ sein … Wie und wann kann keiner wirklich sagen … Letztlich handelt es sich ja auch beim Epheserbrief um eine geistliche Gesamtschau. Auch die neutestamentlichen Gemeinden hatten ihre Probleme („Flecken und Runzeln“). Nur adressiert Eph das nicht – er entwickelt lieber eine umfassende Vision. Nicht umsonst ist er zutiefst von den Gebeten In Eph 1 und 3 geprägt, die über die „Breite, Länge, Höhe und Tiefe“ des Werkes Gottes in Christus staunen und darum bitten, dass wir das auch wahrnehmen können.

  4. Eine Frage zu Eph. 2, 15: ..indem er das Gesetz… abgetan hat…. . Aus dem gesamten Kontext erschließt sich mir, dass Jesus etwas Neues geschaffen hat. Dennoch: an vielen Stellen in der Bibel lese ich, dass Jesus das Gesetz gerade nicht außer Kraft gesetzt hat (so verstehe ich auch “abgetan hat) , sondern das Gesetz erfüllt hat. Wie ist das hier zu vestehen?

    1. Zum Thema Eph 2,15: Die Antwort liegt schon oder Formulierung dort „Er hat das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt“. „Gesetz“ ist ja, alttestamentlich-jüdisch gesprochen, nichts anderes als die Tora“. Die hat aber mehrere Aspekte:
      a) Sie ist der Ausdruck des (Heils-)Willens Gottes, Zeichen des Bundes, und Mittel der Gottesbegegnung.
      b) Sie umfasst höchst unterschiedliche „Satzungen und Gebote“.
      c) Sie hat, so Paulus, aber auch einen destruktiven Charakter: sie provoziert zur Sünde und verurteilt dann den Sünder zum Tod.
      d) Jesus hat die Tora „erlöst“, indem er ihre Dynamik als Wille zum Heil wieder „befreit“ hat durch seinen Geist, der im Neuen Bund die Tora in uns hineinlegt.
      Lies doch dazu unbedingt nochmal nach in:
      – AB1 Matthäusevangelium den Punkt 2.2.2 („Tora und neue Gerechtigkeit angesichts des Reichs Gottes“) ab Seite 21
      – AB6 Römerbrief „Exkurs 1: Die Tora und die Gerechtigkeit Gottes“ ab S. 19
      – und hör im Vortrag 3 („Inspiration und Auslegung“) nochmal das zu Folie 2 auf Seite 2 Vortragsskript Gesagte.
      Wenn Deine Frage dadurch nicht ausreichend beantwortet ist, kannst Du gern nochmal nachfassen.

  5. Hi again!
    I’ve just finished listening to your teaching on leadership in the Church. Could you say something about the monastic and missionary movements? They were and still are “structures” of their own. Could we say that the monastic movements represent somehow the prophetic and the missionaries the apostolic?
    Thank you!

    1. It is question of definition: If one defines “apostolic” and “prophetic” in the modern sense as a ground-breaking strategic approach to evangelism and church-planting, then from a certain point on monastic and Protestant missionary movements could be called so. But the history itself is a bit more complex:
      The monastic movement in antiquity and the Middle Ages has different sources that inspired it. First came the so-called “eremites” (hermits), ascetics who were frustrated with a saturated and more and more rich and powerful church (already in the 3rd century, i.e. even before Constantine). They literally withdrew to the desert in Egypt and then Syria to fast, pray, conquer their worldly passions and live for Christ in this way. They tried to be “perfect” according to Mt 5:48 and literally became a prophetic “voice crying from the wilderness”. Only a few decades later the “monastic” movement started, also in the Egyptian desert; they had similar intentions, but added communal life as an absolutely necessary ingredient in order to worship together and practice not just poverty and charity, but also “obedience”. But both eremites and monastics in their earnest pursuit of holiness (!) became extremely influential through their spiritual power, so that many came to them for advice, counsel, healing etc. But apart from individuals they were not strategic missionaries as far as we can tell.
      Monasticism in Europe started shortly after that, influenced by the developments in Egypt and Syria, and along the same lines: people withdrew to pursue a life of prayer and sanctity. They went to the woods, to uninhabited islands or other lonely places, but they were nearly always communitarian; some of them were of an apostolic stature, like Martin of Tours – soldier, hermit, miracle worker, missionary, then leader of a monastery and in the end bishop against his will (early 4th c.)! Benedict of Nursia, early 5th c., developed a Rule of communal Life for people like that; this Rule later became very influential in the West. In his time there were many travelling solo-charismatics and would-be monks, so he developed his monasteries around a stable lifestyle of dwelling, praying and working in one and the same place called “monastery” for one’s whole lifetime. Again: The missionary aspect was secondary (they never left their monastery except for founding a new one), but very powerful. These communities became a “city on a hill” – often quite literally so! But the “missionary” aspect itself was not the main focus. The focus was rather to live a life like the first church in Jerusalem according to Acts 2 & 4: community of goods, worship services with the breaking of bread, teaching, total dependence on the Spirit etc.
      Monasticism in just recently (5th c.) evangelized Ireland developed a special approach, probably in accordance with the Irish spirit. For many of them “renunciation” of the world meant not only to live in monasteries but also leave their home country and go “overseas” in groups (often of 12, like Jesus’ disciples), i. e to England and the Continent – this time as missionaries and often enough martyrs; one of the most famous was Columban. That started in the 6th century; later on Anglo-Saxon monks, partly evangelized by the Irish, took up that torch. It is hard to decide if one can call the Irish impulse “apostolic” in the modern sense of the word – since often the major motivation was “leaving everything behind for Christ’s sake” and not so much “the gospel into all the world”. But the Anglo-Saxon missions to Eastern Francia (today’s Germany) in the 7th/8th c. were clearly apostolic, but remained short-lived.
      A missionary movement of its own took place among the competing “Eastern” churches in Western and Central Asia (monophysites and dyophysites): Through merchants and monks they spread the gospel along the Silk Road throughout Asia into India (quite early) and China (7th c. by the latest). Although in part monastic there were also lots of flourishing regular churches for roughly a thousand years. Much of that was destroyed in the early 15th c. through the brutal campaigns and conquests of a Muslim Mongol Khan, Tamerlan, others were choked to death over centuries by a Muslim majority culture.
      In the West the classic strategic “missions” aspect grew slowy: In the 11th/12. century the Cistercians and others came quite literally down “from the (Benedict’s) hills” to settle among the people in the countryside to help and teach them. They were also at the forefront in reaching newly conquered and/or colonized regions in Middle and Eastern Europe.
      In the 13th century a major change happened: The spiritual and social needs of the now exploding towns and cities brought about the first classic “apostolic” orders: the Franciscans and Dominicans, but also others. They even took up the idea of world missions and reached out not only to the poor in Europe, but also to the “heathens”, e.g. the Muslim world and even to China.
      “Modern missions” started in the 16th c.– not among Protestants but among (now) “Roman” Catholics: the Jesuits. They were the first apostolic order with a world missions mindset (India, China, South-east Asia, Japan, also to the Spanish/Portuguese colonies in S.-America and Asia); their first generation “apostle” and mastermind was Francisco Xavier. Then in the 17th c. the first Protestant missions started among the Pietists in Germany (Halle and Herrnhut) to India, the natives in N.-America, the slaves in the Caribbean, but also to the Baltic area). The 18th c. Methodists were quite missionary, but mainly aiming at “domestic” revivals in the UK and N-America. In the early 19 c. English Baptists (William Carey & friends) continued and developed the idea of “world missions” quite strategically through mission societies. Then missions exploded throughout the (Protestant) English speaking world with other countries following their model(s).
      So what one could say is, that the dynamics of spreading the Gospel – at least those we know of ! – changed significantly through the centuries. Our modern category of the “apostolic” doesn’t really describe that adequately – we developed it from our own experience anyway. But one thing is certain: The Gospel always contains the seed of “missions into all the world”, because Jesus himself is the first “apostle” i.e. “missionary”, to all the world; his church follows him, even if sometimes reluctantly. It is only the forms that change according to time, culture and the guidance of the Spirit.

  6. Hello Manfred,
    Romans 11: 25b, always leaves behind much dissatisfaction, because it seems to indicate that there is a timeline on which Israel is moving. “… a partial hardening has come upon Israel, until the fullness of the Gentiles has come in.” For a time their hearts are partially hardened, but what about the salvation of the individuals “till the fullness of the Gentiles has come in”? What does Paul means?

    1. Rom 11:25 does not look upon individuals, but upon corporate Israel (remember: the corporate identity is the primary identity in antiquity; “individualism” is quite a modern concept). Of course individuals from Israel were being saved – the disciples, the “Jewish church” in Israel and the diaspora and not least the reluctant Paul himself being excellent examples for that. Paul would call them the “remnant”/“rest” in accordance with Isaiah. So: Every Israelite who (repents and) believes in the Messiah Jesus is part of that remnant. But the majority of Israel, including its political and religious leadership, did not do that; some even cursed him. That’s what makes Paul the Jew extremely sad. This sadness is countered by the revelation of the mystery, that at “the end” corporate Israel will turn to her Messiah – but he expects this at the final resurrection, i.e. the very end, the consummation of all.

  7. Hallo Manfred,
    ich bin etwas über deine Aussage zu 1.Thes. 5,19-22 gestolpert. Darüber, dass “Das Gute haltet fest” nicht auf die Prophetie bezogen sei. Woher nimmst du diese Aussage? Ist es vom Urtext her übersetzt? Wenn ja, warum übersetzen es selbst die Urtext nahen Übersetzungen (z.B. Elberfelder) “falsch”?
    Lg,
    Phöbe

    1. Die Übersetzung beruht auf einer sprachlich-grammatischen Analyse. Das „aber“ in „alles aber prüft“, im Griechischen ein nachgestelltes „de“, bezieht sich immer auf den vorherigen Gedanken/Satzteil. D. h. das Prüfen (Vers 21a) bezieht sich eben gerade auf die Prophetie und ist nicht irgendwie allgemein gemeint. Vers 21b gehört dann nicht mehr direkt zum Prüfen des Prophetischen sondern bildet mit Vers 22 zusammen eine einzige Aussage, die als abschließende Generalzusammenfassung für die gesamt Paraklese dient: „Das Gute haltet fest, von aller Art (es ließe sich auch „von allem Anschein des Bösen“ übersetzen) des Bösen haltet euch fern!“. Hier steht übrigens kein „und“ davor, wie in vielen modernen Übersetzungen; es ist ein eigenständiger Imperativ. Warum die Übersetzungen das fast alle anders beziehen, weiß ich auch nicht. „Falsch übersetzt“ ist übrigens keine passende Begrifflichkeit; es geht eher um das Sprachgefühl und die inhaltliche Wertung. Vielleicht hat man einfach den Rhythmus der als Doppelaussage verstandenen Verse vorher (5,17f) weitergeführt und deshalb nach der gefühlten Doppelaussage 5,19-20 eine Zäsur gesetzt; dann bleibt eine Dreiergruppe als rhythmischer Abschluss. Wenn es einmal so ins Ohr gegangen ist (z.B. durch Luther und die Verseinteilung, die erst 1551-53 durch den Drucker Robert Estienne in Genf erfolgte), wird das leicht weiter geführt, auch da Prophetie jahrhundertelang kein großes Thema für die Exegese war. Aber genauso gut lässt sich die Gliederung rhythmisch anders verstehen: Dreieraussage (!) v. 17f, Dreieraussage v. 19-21a; Doppelaussage zum Abschluss v. 21b.22. Dann würden sich sogar v. 17f und v. 21b-22 chiastisch entsprechen. Keinen Sinn macht mir jedenfalls V 22 als alleinstehende, und noch dazu negative, Schlussaussage der Paraklese!

  8. Hello Manfred,
    would you expand on the Shalom that is the fruit of the Holy Spirit? Paul is writing thoroughly of the Law and of the Spirit, the Law and the flesh in his epistle to the Romans. I am assuming that the word that is translated Law in German and English is the Torah. By Law in Romans does Paul mean all of the various aspects of it, circumcision included?
    Thoroughly enjoying every page of your Bible Study!
    silvia

    1. Shalom basically means a state of well-ordered life that experiences peace, prosperity (“well-being”) and blessing, i.e. a fulfilled life in the presence of God and in fellowship with others. If shalom is damaged or broken, there is the necessity of “atonement”, because that breach is not just some personal spiritual/psychological/social “guilt”, that can simply be forgiven through a human being. The good order of God, his creation, i.e. reality itself has been broken. This needs to be mended. And this happens in the atonement ritual in the OT (Lev 16!) that needed to be repeated year by year. In the NT it ist Jesus death and resurrection that atoned “once and for all” (Hebr 9:12 speaks of a heavenly atonement in parallel to Lev 16). And it is the Holy Spirit who “applies” this in our lives, therefore restoring shalom in and among us, i.e. within in every person but also within the life of the community of Christ’s disciples (e.g. when Paul wishes in his letters “peace be with you”, he refers to the community of believers).
      Torah: Paul often argues in a dialectic way, i.e. he looks at an issue from changing perspectives. So Torah can be A) the fundamental good and life-giving will of God, B) as e.g. expressed in the Ten Commandments, and C) the body of all rules and regulations (”the whole law” of Gal 5:3), including the “works of the Law”, especially circumcision, Sabbath-keeping and food-laws. Those were the ones that marked Jewish identity in the most obvious way and separated Jews from the rest of (Gentile) society – but they also could separate Jewish Christians from Gentile Christians. Roughly speaking: A) is fulfilled by Christ, B) is a marker of the outward perimeters of God’s will, deepened by the coming of Christ, and C) is deepened, modified, corrected or abrogated through the coming of Christ and the consecutive work of the Holy Spirit, who is the source of worship, boundless love (behavior towards God and others, esp. in fellowship, in a more intensive and extensive way than any law could command) and guidance (including individual ethical decisions in difficult situations).

  9. Mich treibt Römer 13 um: das Verhältnis zum Staat. V 1-3: Alle Obrigkeit ist von Gott. Gilt das etwa auch für die Nazi Diktatur in Deutschland? Wenn nicht, wie können wir Leserinnen und Leser da auseinanderhalten, für welche Obrigkeit diese Verse gelten und für welche nicht?

    1. Römer 13 geht vom „Normalfall“ aus. Staatliche „Autoritäten“ (so die präzise Übersetzung des griechischen „exousiai“ – man beachte den Plural; Näheres dazu s. AB8, Exkurs 2: Mächte und Gewalten im Neuen Testament) sind nach dem Sündenfall von Gott gewollt und eingesetzt als Ordnungsstruktur, um dem Zerfall der Schöpfung, dem Einbruch des Chaos und des Bösen, zu steuern. Da sie aber ebenfalls unter dem Vorzeichen des Gefallenseins steht, gibt es zwei Konsequenzen:
      1) Zur Aufrechterhaltung der Ordnungen müssen alle Menschen „gehorchen“ – Christen aus Einsicht („mit Rücksicht auf euer Gewissen“, 13,5). Denn die Ordnungen sind kein Selbstzweck sondern ermöglichen Leben und Frieden. Das gilt auch, wenn die staatlichen Autoritäten nicht „stubenrein“ (korrupt, teilweise ungerecht …) sind, wie es ja bereits im Römischen Reich zur Zeit des Paulus der Fall war. Man geht z.B. davon aus, dass die Steuerlast zur Zeit des Römerbriefs enorm hoch war; trotzdem schreibt Paulus Röm 13,6! Diese Grundperspektive der Bedeutung von Ordnung im Sinne einer Stabilisierung der Welt und des menschlichen Zusammenlebens haben wir in unserer Zeit des schrankenlosen Individualismus verloren.
      Dabei gilt aber auch: Da, wo die staatlichen Autoritäten an einzelnen Punkten dem Willen Gottes entgegenarbeiten (z. B. durch das Verbot der Verkündigung und Praxis des Evangeliums) und dabei Christen nötigen wollen, müssen diese sich dem verweigern. Vgl. dazu die Aussagen in Apg 4,18-20 und das Prinzip Apg 5,29; der „Hohe Rat“/der Sanhedrin ist die oberste jüdische Autorität in Israel für religiöse, innen- und sozialpolitische Belange.
      2) Ihre Autorität beziehen die staatlichen Strukturen also daraus, dass sie – oft unvollkommen, fehlerhaft und „sündig“ – den Willen Gottes zur Erhaltung seiner Schöpfung zur Geltung bringen. Wenn das aber kippt, und sie grundsätzlich gegen Gott rebellieren, sich an seine Stelle setzen, das Chaos und das Böse fördern etc., dann ist eine Grenze überschritten. Denn dann dienen sie nicht mehr Gott (wie unvollkommen auch immer), sondern agieren bewusst gegen ihn. Hier müssen sich Christen dem ebenso grundsätzlich verweigern; sie können nur noch dort kooperieren, wo „gute“ Ordnungsfunktionen ausgeübt werden.
      Spätestens das Buch der Offenbarung stellt das klar: Christen können und dürfen nicht mit einem eindeutig antigöttlichen (im Unterschied zu einem bloß „un“-göttlichen) System zusammenarbeiten (symbolisch dargestellt mit der Aussage „die Zahl des Tieres“ nehmen). Das hat dann als Konsequenz den Ausschluss aus der Gesellschaft, Verfolgung und Vernichtung. Das Buch der Offenbarung ist als Antwort auf diese drängende Notlage verfasst; es richtet den Blick gezielt auf Gott und sein kommendes Eingreifen. NB: Die Gerichte in der Offenbarung beziehen sich nicht primär auf eine „Endzeit“, sondern auf geistliche Grundstrukturen des Bösen, die sich in der Geschichte immer wieder wiederholen (und sich dabei oft steigern). Näheres dazu in den Vorträgen und Arbeitsblättern zur Offenbarung.

  10. Thank you very much, Manfred. Your explanations are very helpful.
    I have another question regarding what the Apostle Paul said in a few instances: “Therefore, although God has overlooked such times of ignorance, he now commands all people everywhere to repent … ” (Acts 17:30, NET). What did he mean by “overlook”, how was God’s “overlooking” manifested and what did that signify for the sinner? What are the “times of ignorance” that Paul is referring to? Has he only the Gentiles in mind or are the Jews included?
    Thank you for your enlightening answers!

    1. I mentioned it briefly on page 23, Paul’s speech in Athens. The basic concept is simple yet profound and of deep theological importance. God overlooked (he saw it, but he chose not to act accordingly) their, i.e. the pagans’, fundamental sin of Godlessness. Otherwise he would have had to destroy them due to their persistent rebellion throughout the millennia. These times were the “times of ignorance”, i.e. the times when they did not know God or search for God properly (Act 17:27). In short: the times before the Gospel is preached to them. But now he commands them (and Israel as well: “all men everywhere”!) to repent throughout the whole earth. There are several significant issues implied:
      1) God treats the pagans like he treated Israel. Only after the revelation of the Torah Israel was judged according to its precepts. Before this even godly men could and did live differently in some respects (e.g. Jacob marrying 2 sisters!). On a personal level Paul appropriates this in Rom 7:7,9.
      2) Now the grace of the Gospel is being preached all over the world. That means that the grace of God, his salvation and fellowship, is offered to the pagans through and in his son. I. e.: Only after the (offer of) redemption the pagans are held accountable for refusing to know God and live according to his will!
      3) But therefore the preaching of the Gospel has serious consequences: Now everybody hears and knows about his/her sin and the necessity of repentance and redemption. So there is no excuse left. From now on God does not overlook sin anymore, since the ignorance (of God and his ways) has been dispelled.
      But we need to note: The whole stress of Paul’s sermon here lies on the offer of grace, not the threat of judgement. It is NOT a fire-and-brimstone message.

  11. Hello dear Manfred,
    I write in English, because it is easier for me, but, please, do answer in German!
    The New Testament study has been very enriching so far. I am greatly thankful to you and Ursula.
    There are two aspects that raise further questions: 1) Christ came unto His own, and witnessed by His Father, the Spirit, Scriptures, His own deed, eye-witnesses. The people’s and religious leaders rejected Him. They had eyes, but did not see, they had ears, but didn’t hear. Were they actually quite aware of who Christ was or were they hardened by their unwillingness to open up to Him, never quite understanding who He was? 2) Galilee is no longer mentioned in the Book of Acts. What happened there? Offended, many Galilean disciples decide to no longer follow Jesus when He tells them that they are to drink His blood and eat His flesh. In the Synoptic Gospels great crowds are mentioned. What happened to these people in Galilee?

    1. Let me briefly answer your questions:
      1) “Hardness of heart” is a theme that permeates the Scriptures; amazingly, it is mostly applied to the people of God (or parts of it). It is a significant feature in the desert wanderings of Israel (Exodus and Numbers) and is a major complaint among the latter prophets. It is particularly important for the Book of Isaiah; there it – and its corresponding aspect of a “rest” being saved – holds the three major parts of the book together: It is the bottom line of Isa 1–39 and the one cause for judgement; Isa 6:9-13 is the continuation of Isaiah’s call 6:1ff and his main message in Ch. 1–39. It then is redemptively answered in Isa 40–55 after the judgement of exile, and it resurfaces in Isa 56–66, addressed to the returnees from exile.
      Jesus picks up this Isaianic statement in his explanation of Mt 13:11-17 (par). In other words he says: As Israel did in the days of Isaiah, so they are doing right now. As they did not – or did not want – to recognize and accept God’s word and dealings then, so they are doing right now. That means they are going to reap the same consequences: judgement. Jesus’ message of the advent of the Kingdom of God and His personal claim hardened them even more. So they rejected the work of God through His Spirit in Jesus, claiming his authority came from the devil and thereby blaspheming the Holy Spirit. In a nutshell I would say, their unwillingness to honour the real work of God among them damaged their ability to spiritually recognise, “to see and to hear”. One can only assume that there was an underlying feeling of uneasiness with Isaiah’s or Jesus’ claims …
      2) The Book of Acts reports very selectively what happened in the first decades of the church. But the risen Jesus sent his disciples to Galilee (e.g. Mk 16:7; Mt 28:7,16-20; John 21), which makes only sense, if the movement was to continue (or restart, like with Peter in Jn 21?) there. The event with the huge number of 500 disciples in 1Cor 15:6 probably took place in Galilee; so it must have been a significant area. We do not know, if some of his former followers returned to the Jesus movement or if the Galilean disciples were made up of new converts; probably both is true. We also know from later sources and from archaeological findings that there were Christian communities in Galilee (e.g. Capernaum, but also in other places). Galilee continued to be a spiritually very receptive soil. But the main focus for the church now lay in Jerusalem, the center of world Judaism and messianic Christianity.

  12. AB4 S.31 Exkurs: Frauen in Verantwortung
    Mir fehlt der Exkurs oder besteht dieser bloß aus dem einen ersten Absatz auf der Seite bzw. dem dort erwähnten Vortrag V9 und ab “In Philippi wurde Paulus…” geht es wieder um 2.2.3. “Zweite Reise…”?

  13. AB4 S.23 oben
    3) Warum wird hier gesagt, dass Paulus seine Berufung im geistlichen Zentrum des Judentums (=Tempel) erhält? Er bekehrt sich auf dem Weg nach Damaskus, dort erfährt Hananias die Berufung Saulus (vor den Nationen, den Mächtigen etc. zu predigen). Antiochia ist die erste Gemeinde, die ihn aussendet. Warum erfährt er dann im Tempel seine Berufung?
    AB4 S.24 oben
    1)Ich verstehe nicht, wie man aus Apg 13,1-3 und 1.Kor 12,28 darauf schließen kann, dass die damalige Hauptleitung aus Propheten und Lehrern bestand. Besonders in Kor werden im gleichen Vers weitere Begabungen genannt.
    Apg 13,1: “Es waren in der Gemeinde Propheten und Lehrer.” Muss es die Leitung gewesen sein? (Aufgrund der Aussendungsvollmacht wahrscheinlich, aber es ist sehr allgemein formuliert). Aber muss es die vollständige Leitung darstellen?
    Aber interessante “Theorie”. Wenn man vom 5 fältigen Dienst ausgeht, sagt man ja, dass die Propheten und Lehrer sich entgegen stehen, interessante/spannungsvolle Kombination… Würdest du dieses Leitungskonzept aus Propheten und Lehrer auch für heute noch für erstrebenswert halten?

    1. Zu Berufung des Paulus im Tempel: Paulus selbst schildert das in seiner Rede Apg 22,17-21 so; beachte v.a. Vers 21 mit den beiden Zentralbegriffen „Nationen“ und „senden“. Diese Sendung unterscheidet er von seinem „Bekehrungserlebnis“ vor Damaskus in den vorhergehenden Versen 22,6-10.
      Zum Thema „Leitung“. In dem theologisch reflektierten Text 1Kor 12,28 werden drei Gaben durch eine aufzählende Nummerierung vom Rest abgesetzt, nämlich „erstens Apostel, zweitens Propheten und drittens Lehrer“. Sie sind zum einen Personen (im Unterschied zu Fähigkeiten) und stehen zum andern als „Wortgaben“ der Gemeinde gegenüber. Alle anderen Gaben werden als „Fähigkeiten“ beschrieben (nicht: „Wundertäter“, „Heiler“ etc., sondern „Kräfte“, „Charismen der Heilungen“, etc.). Unter die „Fähigkeiten“ fällt auch das, was wir modern-pragmatisch als „Leitung“ bezeichnen, nämlich „kyberneseis/Steuerungsgaben“; die Wortgaben sind ihr und den anderen Fähigkeiten eindeutig vorgeordnet, wenn auch nicht in einem hierarchischen Sinn.
      Der Aspekt der Leitungsvielfalt wird in Eph 4,10ff (ergänzt und) vertieft: diese Personen haben als Aufgabe die „Zurüstung“ der Gemeinde. – Der Kurzbericht Apg 13,1ff schildert das in der Praxis als ein Treffen der Propheten und Lehrer; Apostel waren keine anwesend (anders als Gal 2,11) und auch Paulus selbst war noch nicht im Aposteldienst. Eine Gemeindeversammlung war es ebenfalls nicht, vgl. den anderen Sprachgebrauch in Apg 14,27; 15,30; s. auch 15,4.22). In Apg 13 geht es konkret um einen größeren Dienst als bloß einen innergemeindlichen. Die „Freisetzung“ (hier: „Entlassung“) aus der Gemeinde in einen größeren Dienst aber kann ja auch nur von den Verantwortlichen her erfolgen.
      Zu 1Kor 12 und Eph 4 und zu ihrem Verhältnis zueinander vgl. die Arbeitsblätter 7 und 8.

  14. Weil es im Vortrag noch mal genannt wurde: Mt 19,18
    Wieder ein Vers, mit dem ich kämpfe…
    Hat dieser priesterliche Zuspruch des “Lösens” vor allem einen seelsorgerlichen Charakter? Es tut gut, Vergebung zugesprochen zu bekommen und es nicht nur theoretisch zu wissen?!
    Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Gott uns die Vollmacht gibt, über Schuld und Vergebung zu entscheiden. Woher sollen wir wissen, ob der Gegenüber ernsthaft bereut? Die Konsequenz, jemandem einmal “zu viel” Vergebung zugesprochen zu haben,kann ich gut ertragen, aber den Gedanken, jemanden zu “binden” und das fälschlicherweise, den finde ich furchtbar. Nach dem Motto “was auf Erden gebunden, ist auch im Himmel gebunden”. Das entspricht nicht meinem Glauben. Gott entscheidet letztendlich und weiß, wie es um die Beziehung zu diesem Menschen steht.
    Aber welche Vollmacht spricht er uns dann in diesem Vers zu?
    (Auch das “Binden” kann in den seelsorgerlichen Kontext gesetzt werden, um den Mesnchen auf einen guten Weg zu bringen. Zu schnelles Zusprechen von Vergebung ist nicht immer hilfreich.)

    1. Zunächst muss man bei Mt 18,18 den „technischen“ Sprachgebrauch der jüdischen Rabbinen berücksichtigen, denn von dort stammt diese Formulierung: „Binden“ und „Lösen“ sind nicht zwei unterschiedliche Akte, sondern ein Doppelausdruck (Hendiadyoin) für das Treffen einer religionsrechtlich verbindlichen Entscheidung. In Mt 18 ist es die versammelte Gemeinde (!), die eine verbindliche Entscheidung über den Zuspruch der Vergebung trifft oder unterlässt. Ihr hat Jesus seine Vollmacht zugesprochen; sie übt sie aus durch einzelne Beauftragte. Vom Kontext her sind das die von Jesus berufenen Jünger (vgl. Mt 16,19 für Petrus). – Deshalb hat man die Sündenvergebung in der Kirchengeschichte auch immer an eine entsprechende Beauftragung gebunden. Beim gegenseitigen Sündenbekenntnis in Jak 5,16 sind vom Kontext her vielleicht ebenfalls noch die Ältesten im Blick, die Vertreter der Gemeinde; auf jeden Fall sind sie in die Ermahnung mit eingeschlossen.
      Also: Beim „Binden und Lösen“ geht es sicher nicht darum, jemand die Vergebung zu verweigern, der seine Verfehlung bereut – wohl aber, jemand nicht zur (gottesdienstlichen) Gemeinschaft zuzulassen, der das nicht tut. In der Alten Kirche hat sich daraus die Verweigerung der Eucharistie/des Abendmahls entwickelt; die Predigt durfte der „Sünder“ noch hören. Und wenn jemand heuchelt? Wenn Gott die Heuchelei zeigt, dann kann man keine Vergebung zusprechen (vgl. übertragbar: Apg 5). Müssen wir beurteilen, ob der Wunsch nach Vergebung echt ist? Nein; ins Herz schaut nur Gott. – Vielleicht lässt sich daraus auch schlussfolgern: Wenn Gottes Geist der Gemeinde zeigt, dass die Bitte um Vergebung nicht echt ist, dann muss man den Bittenden in einem seelsorgerlichen Prozess helfen, „echt“ zur werden.

  15. Manfred, vielen Dank für den Vortrag über das Vaterunser!!!
    Ich habe mal wieder eine Frage:
    “Sondern erlöse uns von dem Bösen”: Du sagst, dass (im charismatischen Raum) manche ins Proklamieren übergehen, den Mächten über Städten gebieten etc. statt auf der Bittebene zu bleiben. Der Fokus würde dadurch auf das Böse gelenkt statt auf Gott.
    Einerseits gebe ich dir Recht, wir müssen aufpassen, unser Augenmerk bei Gott zu belassen. Aber andererseits: Jesus hat doch auch Dämonen geboten, auszufahren als ein Beispiel. Wir haben die gleiche Vollmacht erhalten. Warum sollen wir nicht bösen Mächten in Jesu Namen gebieten, zu verschwinden, ob nun über Städten oder über einzelnen Menschen (sehr sensibles Thema) oder in welchen Situationen auch immer? Jesus stand nicht vor den Menschen und hat Gott darum gebeten, es zu tun, sondern Jesus selbst tat es (in Verbindung mit Gott). Aber wir täten es ja auch in Verbindung mit Gott. Verschenken wir damit nicht ein Stück Macht, die Gott uns zuteil werden lässt?

    1. Das Böse in der Bibel – und der Umgang damit – ist ein recht komplexes Thema. Ganz kurz gesagt: Es gibt verschiedene Ausprägungen des Bösen. Nur in Bezug auf die Dämonen, die Menschen quälen, hat Jesus seinen Jüngern die Vollmacht gegegeben, sie (in seiner Autorität) auszutreiben. Andere Formen des Bösen, wie die vielgestaltigen („himmlischen“) Mächte und Gewalten, die Mächte des Chaos und Satan selbst können wir nicht durch Gebieten austreiben. Hier können wir nur „widerstehen“, wie der berühmte Text Eph 6,10ff gleich viermal (!) anordnet. Sonst wäre es ja bei 2 Milliarden Christen, von denen sicherlich einige Tausend eine enorme Vollmacht haben dürften, ganz einfach, das Böse aus der Welt zu schaffen oder zumindest wirksam in die Schranken zu weisen.
      Auch die Erfahrung der letzten Jahrzehnte, in denen einige „Geistliche Kampfführung“ gegen solche Mächte gelehrt und praktiziert haben, zeigt, dass es nicht nur nicht in dem proklamierten Ausmaß funktioniert, sondern dass auch solche Personen selbst teilweise schwer Schaden genommen haben.

  16. Ein Stammbaum ist für mich etwas ziemlich starres, eindeutiges: Ich kann nur einen Vater haben, von dem ich abstamme. In Mt bzw. Lk ist der Stammbaum jedoch sehr unterschiedlich. Wie geht das? Hat es damit zu tun, dass, wenn ein Bruder keine Kinder bekam, der nächste Bruder mit derselben Frau Nachkommen für seinen verstorbenen Bruder zeugte? Wurden zur damaligen Zeit noch andere Verwandte mit einbezogen, nicht nur die direkten Eltern?
    Die Frage ist unabhängig von der dahinter stehenden theogischen Absicht gemeint.

    1. Die Situation ist komplexer:
      1) Für uns ist ein Stammbaum ein rein biologisches Abstammungsregister; die Antike hat hingegen ein ganzheitlicheres Verständnis. Es geht hier um das „Bestimmtsein-von“. Wenn z. B. Jesus von Joseph – nach unseren Begriffen inoffiziell – „adoptiert“ ist, ist er trotzdem voll und ganz „Nachkomme Davids“. Oder wenn Mt einfach im AT genannte Generationen auslässt, um auf die 3x14er-Genealogie zu kommen.
      2) Es hat schon früh verschiedene Harmonisierungsversuche für die beiden unterschiedlichen Stammbäume gegeben, die mit komplizierten Annahmen die Differenzen überbrücken:
      a) Leviratsehe (Julius Africanus, 3. Jh.). Die These lautet: Die Väter Josephs sind Halbbrüder (gleiche Mutter, andere Väter: Lk: Eli; Mt: Jakob). Eli stirbt kinderlos, Jakob heiratet dessen Frau (Leviratsehe); ihr gemeinsames Kind ist Joseph. Aber vor dem Gesetz bleibt Joseph der Sohn Elis, d.h.: Eli ist der gesetzliche Vater Josephs, Jakob der physische.
      b) Lukas überliefert den Stammbaum Marias. Maria ist als Nachkomme Davids eine „Erbtochter“ (vgl. Num 27,8; Neh 7,63), d.h. sie hat keine Brüder. In der offiziellen Erbfolge aber taucht der Name ihres Ehemanns auf. Zugleich wurde Joseph von Marias Vater Eli adoptiert.
      Diese Konstruktionen haben aber alle Schwachpunkte; bei b) etwa beispielsweise, dass Maria wegen ihrer Verwandtschaft mit Elisabet (Lk 1,5.36: „Stammverwandte“) eigentlich aus dem priesterlichen Stamm Levi (nicht Juda → David) kommen müsste.
      Die unterschiedlichen Stammbäume könnten auch damit zu tun haben, dass Herodes die offiziellen, in den Archiven aufbewahrten Stammbäume hatte verbrennen lassen. Dazu der Kommentar von Julius Africanus, der vielleicht in Jerusalem geboren war (ca. 160–240 n. Chr).: „Einige wenige jedoch konnten, weil sie sich entweder aus dem Gedächtnis oder durch Benützung von Abschriften Privatregister besorgt hatten, sich rühmen, die Erinnerung an ihre edle Abstammung gerettet zu haben. Zu diesen gehörten die Erwähnten, welche wegen ihrer Beziehung zu dem Geschlechte des Erlösers ‚Herrenverwandte’ (despósynoi) genannt wurden und welche sich von den jüdischen Dörfern Nazareth und Kochaba aus über das übrige Land ausgebreitet und die vorliegende Ahnentafel teils nach dem Gedächtnis, teils aus ihren Familienbüchern so gut wie möglich erklärt hatten.“ Dann fährt er fort: „Sei dem, wie ihm wolle, niemand dürfte eine verlässigere Erklärung finden können. Da man keine bessere und verlässigere Erklärung finden kann, wollen wir uns mit der erwähnten zufriedengeben, wenn sie auch nicht mit Beweisen belegt werden kann“ (überliefert bei Euseb, Kirchengeschichte, I,7,14f).
      Weiter kommen wir auch nicht. Letztlich wissen wir den „korrekten“ biologischen Stammbau Jesu nicht, zumal er – biologisch – ja nur über Maria laufen kann … Was wir aber zu erforschen versuchen können ist, was Matthäus und Lukas aussagen wollten und welche Überlieferungen sie dazu verwendeten. Das geschieht in den Arbeitsblättern.

  17. AB3 Seite 5: Vergleich Johannes / Jesus
    Diese Gegenüberstellung habe ich früher schon einmal gemacht und bin an der Frage hängen geblieben, wie unterschiedlich der Engel auf die Rückfrage Zacharias bzw. Marias reagiert: Bei Zacharias “bestrafend” aufgrund seiner zweifelnden Frage, bei Maria erklärend auf ihre Frage hin. Warum diese unterschiedliche Reaktion? Meine Gedanken sind folgende, aber ich könnte noch eine zweite Meinung gebrauchen 😉
    Zacharias ist ein Priester, mit der Tora vertraut, ein gottesfürchtiger Mensch. Er zweifelt an den Worten Gottes bzw. des Engels (WORAN kann ich das erkennen?), obwohl doch gerade er als Mann Gottes sich darauf verlassen sollte.
    Maria, junges Mädchen, als Frau verm. deutlich weniger mit der Tora vertraut, gesellschaftlich niedrig gestellt. Ihre Frage (WIE soll ich als Jungfrau ein Kind empfangen?) kann unterschiedlich gedeutet werden:
    a) Wie soll das bitte schön geschehen? (zweifelnd)
    b) Wie geht das? Erklär es mir bitte. Was wird mit mir geschehen? (glaubend, naiv, neugierig)
    Bei a) verstehe ich die Reaktion des Engels nicht. Bei b) ist sie nachvollziehbar.
    Was steckt hinter den unterschiedlichen Reaktionen des Engels?

    1. Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, da die Texte selbst sie nicht direkt beantworten. Aber für Zacharias gibt es einen Hinweis: „Denn dein Flehen ist erhört …“. Das heißt er hat – wohl jahrzehntelang – Gott um einen Sohn gebeten; als Gott dann (dramatisch!) antwortet, glaubt er nicht. Zudem sind er und seine Frau zaddiqim, „Gerechte“, also besonders gläubige und gottesfürchtige Personen, und zudem „alt“, also lebenserfahren und reif im Glauben. Als er dann als Priester im Heiligtum vor Gott steht und anbetet (das Rauchopfer darbringt), erscheint ihm dort ein Engel und verkündet die Erhörung seines Wunsches. Ausgerechnet hier tut sich Zacharias schwer, statt gottesfürchtig aus dem Zweifel Abrahams und Saras (in derselben Situation! Gen 17,17; 18,12-14) gelernt zu haben.
      Außerdem fragt er / verlangt er nach einem Zeichen. Und das bekommt er dann ja auch. Denn das Verstummen ist zwar unangenehm, aber keine eigentliche „Strafe“. Es ist vielmehr ein prophetisches Zeichen für Zacharias, aber auch das Umfeld. Darin hat Zacharias einen prominenten Vorläufer: Hesekiel, der ebenfalls verstummt, bis die Erfüllung eingetreten ist, Hes 3,26; 24,25-27; 33,21-22. Hesekiel wurde so zu einem „Wahrzeichen“ – und Zacharias ebenso.Vielleicht steckt sogar noch ein weitergehendes „Echo“ auf Hesekiel dahinter: Wie Hesekiels Verstummen der kommenden Zerstörung des Tempels galt, so wird mit der Geburt von Johannes und Jesus die endzeitliche Abschaffung des alten Tempels eingeleitet und der Bau des neuen: des Leibes Christi.
      Bei Maria liegt das Ganze anders: Die Botschaft ist tatsächlich unglaublich; für sie gibt es keinen Vorläufer, kein biblisches Vorbild. Es geschieht etwas noch nie Dagewesenes. Selbst Jes 7,14 („die Jungfrau wird schwanger werden …“) ist da keine Hilfe, denn im Hebräischen steht da nicht „Jungfrau“, sondern „junge Frau“ (obwohl die Bedeutung „Jungfrau“ durchaus möglich ist – nur eben nicht naheliegend). Außerdem ist Maria, anders als Zacharias, jung, eine Frau und Laie. Da ist die Frage, ja sogar der eventuelle Zweifel, verständlich – wie bei Abraham und Sara (s.o.). Trotzdem reagiert sie dann mit großer Bereitschaft und darüber hinaus mit einem Lobpreis nach dem biblischen Vorbild der Hanna in 1.Sam 2. Auch hier ist vielleicht ein Echo beabsichtigt: Wie die Geburt Samuels die Abschaffung des Königtums Gottes in Israel zugunsten einer menschlichen Königsherrschaft einleitet (1Sam 8,7), so wird die Geburt Jesu wieder die Königsherrschaft Gottes aufrichten (Lk 8,1; 10,9 etc; vgl. Mk 1,14f).

  18. AB3, Seite 2, Punkt 3:
    Noch mal zur Chronogie: Widerspricht sich diese Aussage (Lk bemüht sich um eine möglichst genaue chronologische Reihenfolge) nicht mit der ein Jahres Darstellung des Dienstes Jesu? Lk kann schwer beidem gerecht werden: historisch, chronolgisch korrekt sein und gleichzeitig die geistliche Dimension Jesu Wirken in den Mittelpunkt stellen und dementsprechend die Chronologie aufweichen…

    1. Aus moderner Sicht hast Du sicher recht – wenn denn Chronologie ein absoluter Wert ist. Aber Lukas ist in erster Linie Evangelien-Verfasser, in zweiter Linie erst „Historiker“.
      Die Evangelientradition war durch die Überlieferung der Jerusalemer Urgemeinde, und hier insbesondere von Petrus (→ Mk), geprägt. Das gibt ihm den Rahmen vor. Sicherlich hat er nicht im heutigen Sinn „historisch“ gearbeitet, also mit einer unabhängigen, möglichst genauen Rekonstruktion der „bloßen Fakten“. Eher hat er text- und quellenkritisch gearbeitet (vgl. sein Vorwort). D.h. er hat nicht selbst eine unabhängige Chronologie Jesu erarbeitet, sondern die aus seiner Sicht bestmögliche im Anschluss an die ihm vorliegenden Quellen. (Spannend wäre es gewesen, wenn er das Johannesevangelium als weitere Quelle gehabt hätte …). Sicherlich wusste er auch, dass die „synoptische“ Evangelientradition verdichtet – und zwar ganz im Einklang mit antiken Gepflogenheiten. Er hat sein Evangelium wohl auch nicht als „Richtigstellung“ empfunden, sondern als einen alternativen Entwurf, der manches anders zur Sprache bringt. So integriert er z. B. einen Teil der Mk-Überlieferung in seinen langen Reisebericht. Ob das eine „Korrektur“ des Mk ist, oder aber eine „Ergänzung“ („auch auf dieser Reise hat Jesus entsprechendes gesagt/getan …“) muss im Einzelfall geklärt werden.
      Und Lukas ist auch im antiken Sinn Historiker, nicht im heutigen, insofern er bewusst auswählt – und also auch Erzählungen etc. von Mk und evtl. Mt weglässt. Das kann aus verschiedenen Gründen geschehen. Zum einen war der Umfang eines literarischen Werks notwendigerweise durch die maximale bzw. handhabbare Länge einer Schriftrolle begrenzt; Lk ist sowieso schon das längste aller Evangelien. Zum zweiten erfordert der Gesichtspunkt der Schwerpunktsetzung eine Auswahl; eventuell wird der Inhalt des ausgelassenen Materials durch andere Überlieferungen abgedeckt und/oder modifiziert. Und schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass Lukas damit rechnet, dass sein Evangelium neben, nicht anstatt dem des Mk oder Mt gelesen wird (das trifft für das Johannesevangelium zu).
      Das alles kann man bedauern; ein Nachteil gegenüber heutigen Vorgehensweisen ist es sicherlich nicht. Denn das generelle Bestreben antiker Schriftsteller war es, den tieferen Sinn der Geschehnisse zu erfassen, nicht eine (nur scheinbar) neutrale Darstellung bloßer Abläufe . Damit sind sie eigentlich wieder sehr modern. Wir wissen inzwischen, dass es keine neutralen Darstellungen gibt; alles ist mehr oder weniger „interessengeleitet“ . Jede Auswahl und die Auswertung der Fakten bezeugt das. Hier stoßen wir, so scheint mir, auf eine anthropologische Grundgegebenheit: Der Mensch ist auf Sinn hin angelegt: er versucht, überall einen Sinn zu entdecken – oder zu stiften. Anders können wir nicht leben; sonst bleibt nur die nihilistische Verzweiflung.

  19. Mt, Mk, Lk sind nicht geschichtlich chronologisch angeordnet, sondern fassen Jesu Wirken scheinbar in ein Jahr zusammen (in Gegensatz zu Johannes). In den AB liest es sich jedoch, als sei es historisch chronologisch. z.B. AB2 S.25 4.1.4: Jesus entzieht sich den immer heftiger werdenden Auseinandersetzungen… Ja? War das so? Oder hat das Mt enfach nur so angeordnet? Wann kann ich mich “darauf verlassen”, dass zwei hintereinander geschriebene Geschichten in Mt, Mk, Lk auch hintereinander geschehen sind?

    1. „Nicht chronologisch“ heißt nur, dass die Chronologie nicht der alles entscheidende Rahmen ist. Es heißt nicht, dass alles wild durcheinander geht. Die Evangelienüberlieferung ist mehrschichtig: teilweise, v.a bei wichtigen Eckdaten, ist sie natürlich klar chronologisch (ganz banal: zuerst Geburt, dann Taufe, dann Dienst und schließlich Kreuzigung und Auferstehung).
      Bestimmte Überlieferungen aber wurden thematisch in einem Block zusammengefügt, auch wenn die einzelnen Ereignisse nicht unmittelbar aufeinander folgten. So kann man sie besser lehren und behalten. Anderes hängt an wichtigen Orten: deshalb muss die Tempelreinigung in den Synoptikern nach hinten geschoben werden, weil Jesus da ja erst am Schluss nach Jerusalem kommt, usw. Vereinfacht kann man sagen: wenn die Chronologie (geistlich) wichtig ist, wird sie auch eingehalten. Wenn nicht, dann kann eine Überlieferung chronologisch an der richtigen Stelle stehen, muss es aber nicht. Herausfinden kann ich das a) durch einen synoptischen Vergleich und b) indem ich dann verschiedene Überlegungen anstelle, in die ich alle relevanten Fakten (soweit bekannt) einbeziehe.
      Bei den Reisen ins heidnische Gebiet von Tyrus/Sidon und die Dekapolis Mt 15 ist anzunehmen, dass da tatsächlich ein Zusammenhang mit den vorherigen Auseinandersetzungen bestand: Mt spricht von „Jesus … zieht sich zurück“, d.h. er „weicht (der Konfrontation) aus“. Das Motiv dürfte er nicht erfunden haben, erst recht, wenn er als einer der Zwölf dabei war. Auch bei Mk gehen dem Aufbruch Konfrontationen voraus. Lk hingegen lässt die ganz Reise inkl. ihres Höhepunkts, der Speisung der 4.000, aus. Er legt seinen Schwerpunkt ganz auf die bald anschließende „Reise nach Jerusalem“, die bei ihm 10 Kapitel lang ist (Lk 9,51-19,44).

  20. Mich lässt die Frage nicht los, warum das Wunder 9 (AB 2, Seite 18) als Sondergut bezeichnet wird? Dieses Wunder beschreibt doch auch Markus, allerdings in anderer Reihenfolge (Mk 8,22-26 und10,46-52) und auch Lukas (Lk 18,35-43), der jedoch nur von einem Blinden erzählt. Ist die Bezeichnung Sondergut, weil die Geschichten der beiden Blinden an einer Stelle berichtet wird?

    1. Weil Mk 8,22ff/Lk 18,35ff die Parallele zu Mt 20,29-34 sind: der Ort ist jeweils Jericho, kurz vor dem Anstieg nach Jerusalem. Das Wunder Mt 9,27ff findet hingegen in Galiläa statt, möglicherweise in „dem“ Haus Jesu in Kapernaum (Mt 4,12; 9,28; 13,1.36; 17,25), vgl. die Übersetzung der NGÜ: „Sowie er zuhause angelangt war …“. Oder es ist ein Haus, in dem er übernachtete. Das hat keine synoptischen Parallelen.

  21. Hi,
    Ich habe schon ewig meine Probleme mit Matthäus 7,22-23 (Vers 21 finde ich nachvollziehbar, nur weil ich Gott meinen Herr nenne, ist er es noch lange nicht.). Aber wenn jemand Wunder, Dämonenaustreibung in Jesu Namen tut, dann muss da doch etwas hinterstehen. Das können wir nicht ohne Gott. Ab hier wird es für mich unlogisch, wenn Jesus dennoch sagt, ich kenne dich nicht.
    Die Anmerkung im Skript dazu, hilft mir grad auch nicht weiter. Scheine da einen Denkfehler zu haben. 😉

    1. Ich denke, wir müssen uns von einer „mechanischen“ Sicht von Berufung und Bevollmächtigung lösen. Die Stellen des Neuen Testaments zeigen hier ein viel differenzierteres Bild:
      1) Es gab auch nichtmessianische jüdische Propheten, Exorzisten und Wundertäter (vgl. Mt 12,27).
      2) Mk 9,38 zeigt, dass das nicht unbedingt problematisch sein musste: einer, der Jesus nicht nachfolgte, trieb in seinem Namen Dämonen aus und Jesus wertete das – in diesem speziellen Fall! – positiv, wie auch der sonstige Kontext zeigt.
      3) In anderen Zusammenhängen aber ist es eine Anmaßung, die den Urhebern, offenbar professionellen Exorzisten, die damit ihr Geld verdienten, schlecht bekommt: Apg 19,13-16.
      4) Und eben Mt 7,15-23: Hier warnt Jesus davor, dass Menschen in seinem Namen auftreten, prophezeien, Dämonen austreiben und Wunder tun, ohne dass er sie wirklich kennt: Dabei kann zweierlei im Blick sein:
      a) Es handelt sich ursprünglich um Jünger Jesu, die sich aber innerlich von den Maßstäben Gottes entfernt haben. Gottes Gaben hingegen (Prophetie im engeren Sinn, Wunder) wirken oft auch dann noch weiter. Das ist dann eine Warnung an alle Jünger Jesu, sich nicht von der ihnen verliehenen Vollmacht berauschen zu lassen. Das entscheidende Kriterium ist der grundlegende Wille Gottes, die Tora. Die selbstzentrierten charismatischen Wundertäter hingegen leben nicht (mehr?) nach seinen Maßstäben, sie missachten das „Gesetz“, d.h. die Tora. Offenbar halten sie sich nicht an dessen ethische Maßstäbe (vgl. die „Lasterkataloge“ im NT [siehe AB7]; im prophetischen Kontext von 1Joh 2,4.9-11; Off 2,14f.20-23 wird konkret von der Bruderliebe und der Sexualität gesprochen). Vielleicht halten sie sich auch nicht an dessen religiöse Maßstäbe (z.B. Gott allein und sonst niemand zu verehren; die Behauptung der eigenen Sündlosigkeit 1Joh 1,8.10; die Menschwerdung des Gottessohns zu leugnen 1Joh 4,1).
      Der Begriff der „Lügenpropheten“ ruft dabei die Erinnerung an die Auseinandersetzungen unter den alttestamentlichen Propheten wach (z.B. Jer 14,14; 23,13-40; Hes 13).
      b) Die Bezeichnung als „Lügenpropheten“ kann zudem meinen, dass diese Personen im Innersten niemals wirklich zu Jesus gehörten; das wäre dann ähnlich wie in 1.Joh 2,4.19; 4,1 (Näheres dazu in AB 9).

  22. Ich habe zu einer Bibelstelle von Monat 1 eine Frage:
    Bei Ü2 ist auf S. 12 von einer Rede Joh 11 die Sprache. Welche Rede ist da gemeint?
    Und kann es sein, dass bei AB1 in der Fußnote 30 (S.15) Mt 12,9 gemeint ist und nicht Markus?

    1. Du hast Recht. In Ü2 ist es keine geschlossen Rede, sondern ein Dialog Jesu mit Martha ab 11,21.
      In der Fußnote 30 ist ein Fehler passiert. Sie müsste korrekt lauten: Mk 1,29-31‖; Mk 3,1-6‖; Mk 7,31-37; 8,22-26; Lk 13,10-17; 14,1-6; 17,11-19; 22,50f; (Joh 5,1-9).
      (Mt 12,9ff ist die Parallelstelle zu Mk 3,1-6)

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